Große Sprachmodelle in der Automobilbranche

Vom Assistenzsystem bis zum Smalltalk-Experten

Generative KI und große Sprachmodelle prägen auch die Automobilindustrie. Wo kommt sie bereits zum Einsatz ? Welche Herausforderungen birgt die Integration? Was bringen diese Technologien zukünftig (buchstäblich) auf die Straße? Diese und weitere Fragen klärt Dr. Christoph Endres, Geschäftsführer von sequire, in einem Gespräch mit Alexander Pfalzgraf, Gründer und CTO von SemVox.

Alex Pfalzgraf studierte Informatik in Lübeck und Saarbrücken und gründete 2008 die SemVox GmbH mit drei weiteren Wissenschaftlern als Spin-Off des DFKI. Dort verantwortet er die technische Umsetzung als CTO und war maßgeblich am Transfer der eigenen Technologie in die Serienproduktion der Automobilindustrie und in andere Branchen beteiligt.

Christoph Endres: Hallo Alex, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, mit uns zu sprechen. Uns verbindet eine gemeinsame Zeit am DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz). Du hast damals eine Forschungsidee in die Industrie gebracht und bist einer der vier Gründer von Semvox. Rückblickend wart ihr bereits im Gründungsjahr 2008 super innovativ und habt natürlichsprachliche Assistenzsysteme gebaut. Was war so revolutionär an eurem semantischen Ansatz?

Alexander Pfalzgraf: Wenn man den Status Quo von 2008 mit heute vergleicht, kann man gut die Dynamik in der IT, insbesondere in der KI, feststellen. Als wir unsere Technologie auf den Markt brachten, waren noch keine Big-Tech-Player auf dem Spielfeld – Apple Siri kam beispielsweise erst danach. In jüngster Vergangenheit ist nun erneut – vor allem mit dem Erscheinen von OpenAI auf der Bildfläche – dieser Markt aufgemischt worden. Heute sind Large Language Models (LLMs) mit ihrer beeindruckenden Leistungsfähigkeit in aller Munde. Unser Ansatz damals war anders: Ziel war eine effiziente Modellierung von Sprachdialogen anhand semantischer Abstraktion. Das brachte auch eine gute Beherrschbarkeit – trotz der Komplexität natürlicher Interaktion – hinsichtlich der benötigten Rechenleistung in eingebetteten Systemen und auch der Nachvollziehbarkeit der Algorithmen. Heute arbeiten wir an der Integration beider Ansätze bzw. ihrer Koexistenz.

Christoph Endres: Und damit seid ihr auch rasant gewachsen. Ich erinnere mich, dass ich mit euch auf der IFA 2010 war – seitdem ist viel geschehen. Wie groß ist die Firma heute? 

Alexander Pflazgraf: 2008 haben wir zu viert gegründet, bei unserem ersten Verkauf zehn Jahre später waren wir etwa 80 Leute und heute sind es etwa 180.

Christoph Endres: Mittlerweile seid ihr ja Teil einer großen Firmengruppe und damit auch sehr stark im Automotive Bereich vertreten. Wie siehst Du – insbesondere im aktuellen Hype um LLMs – die Zukunft von Fahrerassistenzsystemen? Bekommen wir irgendwann doch noch einen nervigen Knight Rider? Wird mein Auto in zehn Jahren Smalltalk mit mir führen? Für mich ist das alles sehr schwer vorstellbar, wie sich das weiterentwickelt. 

Alexander Pfalzgraf: Also Smalltalk ist mit heutigen LLMs ja durchaus schon möglich. Aber gerade im Fahrzeug geht es eher darum, den Faher:innen Aufgaben abzunehmen und sie zu unterstützen – Gimmicks nutzen sich schnell ab. Auch hier sind LLMs sehr vielversprechend, wenngleich die Reduktion von Interaktion ein wichtiges Ziel sein wird. Ich denke, Assistenzfunktionen werden im Hintergrund wirken und darauf bauen, ihre User immer besser zu kennen – zumindest bis zu dem Grad, den sie selbst zulassen wollen.

Christoph Endres: Ich habe ja aus meiner beruflichen Sicht eine weitere Perspektive: Die Sicherheit von Sprachmodellen. Darüber haben wir letztes Jahr ausführlich publiziert. Wie ist da deine Betrachtungsweise? Gibt es Sicherheitsbedenken in der Automobilbranche gegenüber Sprachsystemen? 

Alexander Pfalzgraf: Ebenso wie andere Teile des Software-Stacks im Fahrzeug unterliegt auch der Sprachdialog ganz generell allen Anforderungen der Cybersecurity und Bedrohungs- und Risikoanalyse gehören auch hier dazu. Insofern unterliegt auch die Integration von LLMs diesen Sicherheitsanforderungen. Da LLMs jedoch vergleichsweise neu sind und manche potenzielle Bedrohung noch zu den Unbekannten gehört, muss die entsprechende Integration weitsichtig geplant und mit präventiven Maßnahmen ausgestattet sein. Dem Druck LLMs in den Markt zu bringen, dürfen Sicherheit und Datenschutz nicht zum Opfer fallen.

Das Gespräch mit Alexander Pflazgraf bietet einen faszinierenden Einblick in die Zukunft der Automobiltechnologie und die Rolle, die generative KI dabei spielen könnte. Wir bedanken uns für das Interview.

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Dr. CHRISTOPH ENDRES
Geschäftsführer
sequire technology

Alexander Palzgraf

ALEXANDER PFALZGRAF
Gründer & CTO
SemVox

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